18. Oktober 2017 — Rechtsterror

Beseelt von dem Kollegen A. und allgemeiner Gegenwart das folgende Verhältnis bedacht, über das folgende Verhältnis nachgedacht: Horror und ich. Horrorfilm und ich: diffizile Weltlage. Erst mal ins Kino, ordentlich das Hirn wegblasen, bevor da was ankommt, bevor man doch noch mal im Leben ankommt und das Schreien auch nicht mehr hilft, weils nicht mehr auffällt im ganzen Weltgeräusch der Unruh, nein, wenn es einem nicht mehr einfällt als Lebensreaktion, weil sich der Körper der Beteiligung versagt. Ach, das gute Nicht-Leben! Auch so eine bequeme Sache: am Rand stehn und reinschaun und vor sich hin betrachten. Beschreiben, anschreiben, Übung in Genauigkeit. Na, das ist aber ein ziemlich weit entferntes Draußen, von dem Sie da berichten, nein, von dem aus Sie uns über das hier drin berichten! Hallo, hallo, hört mich jemand? Also mal was anderes versuchen, bevor sich die Heimat so in den Körper gefressen hat, dass er der innerlich wie äußerlichen Verrottung, nein, Verrohung anheim fällt. Beteiligung heißt einen zarten Schritt tun und den Überblick verlieren, in den Boden hineinsumpfen, ins Bodenlose, das mit schlammiger Oberfläche bei jedem Schritt munter vor sich hinschmatzt. Das Monster: das, was darunterliegt, nein, wohnt und bei Bedarf die Zähne ausfährt, um sie hernach ordentlich einzuschlagen in wer da immer dahinwandelt und sich in Standpunkten versucht, die zu was andrem gut wären als die eigene äußerst originelle Ich-Haftigkeit in den schlammigen Untergrund zu klopfen, für alle Zeit in Ewigkeit. Aber ist das das Monster, das auf der Leinwand lacht, nein, das durch die Leinwand lacht, hinter der sich die eigentliche Geschichte abspielt? Egal. Beteiligung, das heißt jetzt erst mal nicht ins Kino und die Lebenszeit verschwenden, sondern die Lebenszeit im Leben bleibend lieber aufs Kotzen verwenden. Ja, aber irgendwann brauch ich auch mal was Handfestes, damit der Mensch nicht in der Mitte auseinanderbricht! Also gut. Dann eben ins Kino und ordentlich was reinsnacken. Von Ekel und Angst durchs Leben gewummst werden, autoritär oder antiautoritär, ist ja schließlich auch kein Lebensinhalt, nein, natürlich nicht, auch wenn es leider doch der einzige ist, der bleibt, das Einzige ist, das bleibt, da kann man dran schrauben wie man will, kann drehen und wenden, was man will, man kann sich drehen und winden: Die Angst bleibt immer. Die ist Bequemlichkeit und Vorwärtsdrang in einem, die ist vielseitig verwendbar. Die ist Plan und Kontrolle meine Angst. Na, auch nicht schlecht, wenn man selbst nur noch aus Panik besteht, weil dann wenigstens nichts reinkommt, weil da nichts eindringt. Kein gutes Gefühl? Nein, das nicht. Und kein klarer Gedanke? Nein, das nicht. Und keine Monstrosität? Nein, die auch nicht, schließlich ist da schon so viel Angst für so wenig Mensch in mir drin, dass das bisschen Mensch, das übrig bleibt, im Angesicht der hausgemachten Bedrohung umso heller strahlen muss und fürs Dunkle kein Platz bleibt. Das war ja einfach. Aber wohin mit der eigenen Monstrosität, mit dem Monster, das ich auch bin, wenn es doch mal überhand nimmt angesichts der allgemeinen Weltunruh und nationaler Bonzendummheit - eins zwei drei, wir sind die Sicherheitspartei - und ordentlich zu- und auftreten will? Na, würde sagen ins Kino. Ja, na gut. Draußen bekämpft man wieder mal Geschichte mit Geschichten, da bleibt einem ja nichts andres übrig, als Geschichten mit Geschichten zu bekämpfen. Ja, wenn die Leinwand postwendend durchbrochen werden könnte und ins Leben hinein, also nahtlos von einem ins andre, höchstens mit gepunkteter roter Linie als Saum, bitte hier durchschneiden, ja, das wäre schön. Aber das Monster, das dort auf der Leinwand tobt, ist schließlich auch nur da, um abzulenken, um den Blick auf sich zu lenken, während sich die eigentliche Geschichte im Raum dahinter abspielt, während dort immer dieselbe Geschichte gespielt wird, auch wenn die Rollen gewechselt werden können, denn auch wenn die Rollen gewechselt werden können, bleiben doch die Rollen, die gespielt werden können, immer gleich. Täter und Opfer? Nein, das nicht. Über Opfer sprechen will hier keiner, geschweige denn die Opfer sprechen lassen, nein, auch nicht für die Opfer sprechen lassen. Oder für die Opfer sprechen? Nein, bestimmt nicht. Lieber selbst als Opfer sprechen, damit die Opfergeschichte, die keine ist und nie gewesen ist, weiterhin laut gehört werden kann. Und was ist das für eine Geschichte? Es ist die Geschichte einer neuen Zeit. Nein, bitte nicht. Tja, auch die Zeit will neu sein, die will sich erneuern, nein, die will erneuert werden, aufgehübscht und umgefärbelt, damit die darauf herumrutschende Staubmaus nicht auffällt, die aus der kollektiven Gedächtnislücke in die sogenannte Neuzeit geschwebt ist. Und was bist du für eine süße Maus? Na, zumindest eine, mit der man im Geilomobil zwar nicht ordentlich herumcruisen, aber mit der man offensichtlich ordentlich spazierenfahren kann. Ja, da fällt mir jetzt auch nichts mehr ein. Also ins Kino und das Hirn ordentlich durchblasen, nein, die Angst so aus mir herauswummsen, dass endlich was aus der Geschichte bricht und ein in die Erzählung einer neuen Zeit, die es sich anmaßt so zu tun, als wär sie echt. Als wäre sie, als das was sie eigentlich ist, nie echt gewesen. Als wäre da nie was gewesen, aus dem man hätte lernen können. Remake: Das Monster meiner Kindheit. Der Clown in fesche Kärntnertracht gewandet, lächelt. Der Clown schwingt knopfaugig den Gehstock. Ohnehin auch so ein Clown: Können diese blauen Augen lügen? Der Kreideclown und die sieben Geißlein. Clown im Stimmbruch, prinzenhafter Haartrachtclown, Rhetorikclown, Fakten, Fakten, Fakten. Alles fake. Vor allem diese Clownsfigur, schließlich weiß doch jedes Kind der Neunziger, das sich zum Original das erste Mal ordentlich ins Fäustchen gekotzt hat, dass dieses Clownsgesicht nur Maske für das Monster ist, das dahinter und darunter lautert. I bin a Clown mit Monstergebiss. Na gut. Und ich, das Hirn jetzt völlig weggewummst von Angst und Übelkeit und Ekel und schon recht müde von dem recht kläglichen Versuch, das Heimatgefühl aus diesem Körper rauszuprügeln, der ja ohnehin nie meiner war, denk jetzt bei mir so müd in meiner Finsternis, oder auch in der Finsternis der allgemeinen Weltenlage, heute, jetzt, hier und bin mir auf einmal im Denkprozess jetzt nicht mehr sicher ob das mein Gedanke oder ob da schon der Film läuft, denke: Und auf die Leinwand jetzt ein neues Monster, eines, das nicht von unten kommt, eins ohne Menschenmaske, eins mit vielen Köpfen, Stimmen, die so laut schreien, dass die Leinwand bricht und die Geschichte ins Leben suppt, in die Geschichten einer neuen Zeit. Wenn das die neue Zeit ist, denke ich, sind wir das Monster gegen andre Monster, sind Abweichung, sind Fehler, sind Monstrosität. Und das hier stimmt: Wir werden nicht gejagt. Wenn schon, dann:

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© Simone Dueller