(Hello.) (Is it me you’re looking for.) Hydra spricht (Teil 4)

21. Dezember 2016 — Demokratisierung

Hydra sagt: Geben Sie eine Identität an, nehmen Sie eine allgemeingültige Präposition ein, umgehen Sie die Zäune, Verben und andere Sprachbarrieren.

Hydra hakt nach: Aus welchem Schreib- Denk- oder Lebensprozess stammen Sie eigentlich?

Hydra sagt: Wie beschützen wir unsere tolerante Gesellschaft gegen die Intoleranz aus den eigenen Reihen?

Hydra sagt, dreihundertdreizehntens: Wo werden wir euren Hass begraben können?

Hydra sagt, dreihundertvierzehntens: Wo?

Hydra sagt, dreihundertfünfzehntens: Echo und Nazis
Ist jemand hier?
Hier, hier!, antwortete Echo zur Verwunderung den Nazis, die niemanden sehen konnten.
Komm!
Komm, komm!
Warum meidest du mich?
Meidest du mich, meidest du mich?
Lass uns hier zusammenkommen!
Hier zusammenkommen!,
wiederholte Echo und trat mit ausgestreckten Armen zwischen den Bäumen hervor. (Ein Baseballschläger in ihrer dritten Hand.)

Hydra sagt, dreihundertsechzehntens: Wo ist die Grenze, wo der Moment der Umkehrung aller Gesetze? Wir rüsten wieder auf, in Worten und Taten und Dingen bis, ja, bis an die Grenze, bis zum Moment der Umkehrung aller Gesetze. Und beyond.

Hydra sagt, dreihundertsiebzehntens: Try to be Mensch.

Hydra sagt, dreihundertachtzehntens: Der Autor fuhr am zwanzigsten Theater vor, um auch dort sein Konzept vorzustellen, dar- und vor dem Intendanten niederzulegen, doch es war Montag, das Theater zu, und der Pförtner war ein einsamer Tumbleweed. Oder Tumblr-Feed.

Hydra sagt, dreihundertneunzehntens: Try to be Mensch.

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Hydra auf der Anleitung — Hydronymous

Hydra sagt, dreihundertundzwanzigstens: Lass mich dein Monster sein, in these uncertain times, in diesen Zeiten politischer Verzweiflung, und wo kommt eigentlich dieser ganze WAHNSINN her, der dich und dich und dich auch befallen zu haben scheint, nein, befallen HAT, oh my love, my darling, I’ve hungered for your hate, a long, lonely time, lass mich dein Monster sein, in these uncertain times, oh I need your hate, I need your hate, God speed your hate, in these uncertain times, wir brauchen Monster, ganze Horden von Monstern.

Hydra sagt, dreihundertundeinundzwanzigstens: Angst is not my Weltanschauung.

Hydra sagt, dreihundertundzweiundzwanzigstens: Ich bin eine Wasserglaslesung in Bielefeld und keiner ist gekommen um zu hören aber wer will kann und wird und ich bin das rote Megaphon im Mitmachtheater ich bin ein Hassposting das sich selbst zerstört ich bin das Mikrofon auf das der Spuckeregen eines offensichtlich erschöpften Politikers rieselt und seine Augen so blau blau blau ich bin Hydra sagt tu das und über mir der Himmel so blau blau blau Hydra sagt tu das und ich bin Hydra bin ich bin ich bin ich

Hydra sagt, dreihundertunddreiundzwanzigstens: Ich bin viele. Und wir werden täglich, stündlich, minütlich mehr.

Hydra sagt, dreihundertundvierundzwanzigstens: Ich beginne am Anfang, also mittendrin, wo sich die Wörter verkehren und kippen, ich befinde mich hier und ich bin viele. Alles, was ich sagen werde, hat jemand anderer schon gesagt, alles wurde schon erzählt, aber nicht von jedem. Es ist wahr, wir haben keine Chance. Weiter!

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Hydra vor der Waschmaschine — Hydronymous

Hydra hat sich verzählt, oder?

Hydra sagt, dreihundertfünfundzwanzigstens: Alles schon gezählt.

Hydra sagt: Neulich im eigenen nicht ganz so klaren Grenzbereich darüber nachgedacht, was es mit dieser Forderung nach einer Trennung von Thema und ich (zu persönlich, zu privat, mach doch mal was Politisches) auf sich hat, wenn doch gleichzeitig die Repräsentation des Themas durch die Person Autor (wahlweise auch Autorin oder in Ausnahmefällen auch Autor*in) gefordert wird, als alles plättend-glättende Lesehilfe gewissermaßen. – Ist das eine Geschichte? Ja, das ist eine Geschichte. Ist das ein Denkverbot? Ja, das ist ein Denkverbot. Ist das politisch? Und ohne zu zögern, nein, ohne zu denken, würde ich doch sagen: ja.

Hydra sagt: verdrehen, verschieben, vertragen, forttragen, fortschreiben, Faden verlieren.

Hydra sagt: Sometimes human places create inhuman monsters.

Hydra sagt: all words and all play, bitte.

Hydra sagt: Warum muss ich eigentlich immer Ich sagen wenn ich WIRR meine, nur damit mir JEMANDD zuhört?

Hydra sagt: von dem Vorhandensein gewisser unsichtbarer Grenzen.

Hydra sagt: Neulich in der Verfüg-Bar – Martin Sellner mit dem Cocktailgläschen, auf die Wahrheit ohne Kontext, Prost!

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Hydra vor einem V — Hydronymous

Hydra sagt: Ich bin viel zu viele. Und stolz drauf.

Hydra sagt: Ich möchte seicht sein.

Hydra schweigt und träumt von Martin Sellners likegeilem Lächeln.

Hydra sagt: of monsters and monsters.

Hydra sagt: Neulich im Feierabendfernseher meinte er, mit dem schönen Cocktailgläschen und dem umso schöneren Undercut, dass die Kategorien links und rechts, die wären, also, überbewertet und er würde sie ablehnen, wie er unwerte Vorurteile ablehnen würde, dann schon lieber vorverurteilte Werte: Heimat, Freiheit, Tradition und so weiter.

Hydra sagt: zur Benutzung freigegeben.

Hydra sagt: Und dann wieder an die Freunde gedacht, die in der Grundschule den Nationalfeiertag als Tag des Abzugs der Alliierten aus Österreich zu feiern hatten. Freiheit! Heimat! UND SO WEITER!

Hydra sagt: zur Besetzung freigegeben.

Hydra sagt: Warum wird die immerwährende Neutralität eigentlich mit Panzerparaden begangen?

Hydra sagt: Neulich im Feierabendfernseher meinte er, mit dem schönen Undercut, dass, also, naja, würde er, wenn er, also, äh, naja, äh.

Hydra sagt: Justice rides a tank and wears lip gloss.

Hydra sagt: Dieses Video ist in Ihrem Land nicht verfügbar.

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Hydra im Lichthof — Hydronymous

Hydra sagt: If you want to torture me, spank me, lick me, do it. But if this poetry shit continues, shoot me now, please.

Hydra sagt: Wie wärs mal mit Gemeinschaft, die sich nicht von den Körpern ablöst?

Hydra sagt: zur Vernetzung freigegeben.

Hydra sagt: Neulich beim akademischen Kneipengespräch – dass das Problem die Kategorien seien, behauptet er, rechts und links, dass diese Grenze aufzuheben wäre, also sprachlich, die doch schon real längst nicht mehr, also, äh, naja, äh, zustimmendes Nicken und Prost auf die richtige Lebenseinstellung, die immer noch mit der richtigen Seite einher geht, denn die, also die richtig absolut Richtige, die, äh, aufzulösen, soweit wollen wir nicht gehn, soweit können wir nicht gehn, soweit können höchstens WIRR gehn, aber wir nicht, zumindest nicht ohne Recherche, der wir uns gezielt verweigern. Wer nachliest, der hat etwas zu verbergen. Also: auf die Sprache, auf die unsichtbare sogenannte nichtvorhandene Grenze, auf das sogenannte Echt – Prost!

Hydra sagt: Wann wird die Bruchlinie, die durch mich durchgeht, endlich sichtbar?

Hydra sagt: Die schönste Lebensrettungsphantasie: Wenn man eine Geschichte hat, das ist schon was Schönes.

Hydra sagt: stottern, suchen, abbrechen, suchen, abbrechen, stottern, hochfahren, überhitzen, abbrechen, hochfahren, suchen UND SO WEITER.

Hydra sagt: Und jetzt einmal die Heimat abschneiden entlang der gepunkteten Linie, bitte.

Hydra sagt: Heimat ist auch so ein Wort.

Hydra sagt: zur Verhetzung freigegeben.

Hydra sagt: It is me you’re looking for.

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Hydra im Schafspelz — Hydronymous

Hydra sagt: Es heißt, man wünsche politische Texte und es sei dies ein dezidierter Wunsch, aber bittebitte kein Formexperiment, denn die Form müsse, zur allgemeinen Bekömmlichkeit, die müsse schon weiterhin unpolitisch, bitte, damit das Abopublikum (Apolitikum) auch weiterhin kommt.

(Hydra sieht im Vorbeigehen eine Dramaturgin, die Hände im Schoß gefaltet! Ich glaube an das Abopolitikum.)

Hydra sagt: Wenn der Sprechanlass nicht dem Thema inhärent ist, was soll dann das Schreiben.

Hydra sagt: Wenn der Sprachhass nicht dem Thema inhärent ist, was soll dann das Schreien.

Hydra sagt: Wenn der Sprechanlass hier nicht Thema ist, was soll dann das Scheitern.

Hydra sagt: Scheitern als Chance.

Hydra sagt: Dieses Scheitern ist in Ihrem Land nicht verfügbar.

(PS: copypaste für später, sagt Walter, sagt Benjamin, sagt Hydra: Die große Masse der Geistigen ist in trostloser Lage. Schuld ist an dieser Lage aber nicht Charakter, Stolz und Unzugänglichkeit. Die Journalisten, Romanciers und Literaten sind meistens zu jedem Kompromiß bereit. Nur wissen sie das nicht, und eben dies ist der Grund ihrer Mißerfolge. Denn weil sie es nicht wissen oder nicht wissen wollen, daß sie käuflich sind, darum verstehen sie nicht, von ihren Meinungen, Erfahrungen, Verhaltungsweisen die Teile, die für den Markt Interesse haben, abzulösen. Sie suchen vielmehr ihre Ehre darin, in jeder Sache ganz sie selbst zu sein. Weil sie sich nur 'im Stück' verkaufen wollen, werden sie ganz genau so unverwertbar wie ein Kalb, welches der Schlächter seiner Kundin nur im ganzen würde überlassen wollen.)

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HAIL HYDRA — Hydronymous